Umsonst abgeben in Krisenzeiten - nicht nur ethisch, auch betriebswirtschaftlich gut

Immer mehr Unternehmen tragen in der aktuellen Lage der Corona-Krise dadurch etwa bei, dass sie ihre - bisher kostenpflichtigen - Angebote jetzt kostenfrei zur Verfügung stellen. Beispiele sind der Hightext-Verlag, der hochwertige Informationen seines "iBusiness Executive Summary" kostenfrei und ohne jegliche Registrierung für jede/n verfügbar macht. Oder GetAbstract, das kostenlosen Zugang zur gesamten Datenbank erlaubt. Auch der eine oder andere Tool-Anbieter senkt Preise vorübergehend massiv oder bietet seine Tools kostenfrei an (z.B. haben Microsoft und Google ihre Videokonferenz-Tools sehr früh in der Coronakrise kostenfrei zur Verfügung gestellt).

Wie kann so etwas - Geld-werte Produkte mitten in der Krise kostenfrei anzubieten - betriebswirtschaftlich überhaupt funktionieren? 

Zur Beantwortung dieser Frage fällt erst einmal auf, dass insbesondere die Digital-Unternehmen ihre Leistungen kostenfrei anbieten. Das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass in digitalen Unternehmen Manager und Entscheider entweder wesentlich sozialer wäre oder nicht wirtschaftlich rechnen können. Auf fachlicher Sicht liegt das einfach am Stückkostendegressionseffekt digitaler Produkte. 

Der Stückkostendegressionseffekt erklärt

Dieser Stückkostendegressionseffekt beruht darauf, dass digitale Güter für deren erstmal Herstellung zwar Fix-Kosten verursachen, die - man denke z.B. bei Software-Entwicklung, Aufbau von Datenbanken, Inhaltserarbeitung für E-Books, etc. - durchaus auch hoch sein können. Wenn das Gut dann am Markt angeboten wird, sind die variablen Kosten jedoch meist äußerst niedrig. Im Gegensatz zu physischen Produkten müssen kaum Rohstoffe für die Produktion eingesetzt werden (eine digitale Kopie reicht) und die Distribution verursacht geringe Kosten (z.B. Download über das Internet statt Verpackung und Transport). 

Nun rechnet man die Gesamtkosten (initiale Fix-Kosten plus variable Kosten für die verkaufte Stückzahl) und teilt diese durch die verkaufte Stückzahl. So kommt man zu den Kosten pro Stück. Und diese Stückkosten sinken gerade bei digitalen Gütern und deren Kostenstruktur massiv, je höher die Stückzahl ist. Deutlich mehr, als dies bei physischen Gütern durch eventuelle Skalierungseffekte überhaupt machbar wäre. 

Einfache Krisenhilfe mit digitalen Produkten

Aus diesem betriebswirtschaftlich-theoretischen Blickwinkel ist es (im Gegensatz zu Anbietern physischer Güter) für Unternehmen mit digitalen Produkten wirtschaftlich absolut kein Problem - ja, es kann sogar sinnvoll sein - die eigentlich Geld-werten eigenen Angebote als Krisenunterstützung kostenfrei für andere anzubieten.

Denn einerseits verursachen diese zusätzlichen, nicht-zahlenden Nutzer nur geringe variable Kosten. Die Gesamtkosten verändern sich nur in geringem Maße. Die Kosten pro Nutzer sinken sogar (auch wenn dem kein steigender Ertrag gegenüber steht).

Allerdings: solche kostenfreien Angebot haben einen hohen Marketing-Effekt. Zum einen kann es gerade jetzt in der Krise sehr positiv auf das Image wirken, als Unternehmen etwas zur Gemeinschaft beizutragen, indem Geld-werte Produkten kostenfreie oder zu minimalen Kosten angeboten werden.  Zum anderen werden sich manche Nutzer erst dadurch die digitalen Angebote des Unternehmens kennen lernen und ein Teil davon wird nach der Krise auch die Kosten in Kauf nehmen, das Produkt weiter zu nutzen oder bei Freemium-Modellen dann auf kostenpflichtige Addon- und Premiumleistungen zugreifen.

Kurz gesagt: Theorie hat oft ganz praktische Auswirkungen. In diesem Fall der Stückkostendegressionseffekt digitaler Güter auf die Unterstützung in der Corona-Krise.